Gesunder Menschenverstand oder Bauchgefühl? Wie Muttersein gelingt

Ist es möglich, allein durch Intuition oder auch mit gesundem Menschenverstand – also ganz ohne uns Wissen anzueignen – eine „gute Mutter“ zu sein (was auch immer das ist)? Wären Ratgeber aller Art unnötig, wenn Mütter endlich mal „selber denken“ und/oder „auf ihr Bauchgefühl hören“ würden?

Genau das ist die häufigste Kritik, die ich bisher als Bloggerin für Mütter bekommen habe. Meine Artikel seien unnötig, weil man (frau) „dafür“ doch keine Anleitung brauche.

Ich habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht:

Keine Ahnung von nix

Ich erinnere mich noch gut daran, wie das bei mir war: Ich war aus meinem Freundeskreis eine der ersten, die schwanger wurden. Es passte nach 10 gemeinsamen Jahren mit meinem heutigen Mann gut in unsere gesamte Lebenssituation. Und es gehört doch auch irgendwie dazu.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keinerlei Berührungspunkte mit Schwangerschaft oder dem Leben mit kleinen Kindern gehabt – außer bei meinem kleinen Bruder und da war ich nicht mal drei.

Da ich gerne lese und lerne, informierte ich mich schon in der Schwangerschaft über alles mögliche. Ich bin an die ganze „Sache“ eindeutig sehr kopfgesteuert herangegangen und dafür brauchte ich Informationen. Und da ich gerne selbst entscheide, war ich dankbar für die vielen verschiedenen Sichtweisen, die ich in Büchern und im Internet finden konnte.

Als unsere Tochter dann da war, ging vieles „ganz von alleine“. Zum Beispiel war es für mich keine Frage mehr, wo unser Baby schlafen sollte und wie ich es bei meinen Hundespaziergängen transportieren wollte. Mein ganzes Selbst meldete mir deutlich, dass ich dieses Wesen nicht länger als wenige Minuten von meinem Körper nehmen würde. Durch meine vorausgegangenen Recherchen wusste ich, dass es Lösungen neben Kinderwagen und Babybett gibt.

Anderes wiederum – Babypflege, Stillen, mein Verhalten, wenn das Baby nicht aufhörte zu weinen – machte mich völlig rat- und hilflos. Da war ich dankbar einiges zumindest schon in der Theorie zu kennen. Zum Glück hatte ich die Unterstützung einer wunderbaren Hebamme und meines Mannes, der mit einer erheblich jüngeren Schwester schon mehr Ahnung hatte als ich.

Und so war es in jeder weiteren Phase der Entwicklung unseres ersten Kindes: Manchmal wusste ich ganz genau, was für uns nicht ging. Doch die Frage nach passenden Alternativen überforderte mich oft. Ich habe unendlich viel gelesen und mich mit anderen Müttern ausgetauscht. So konnte ich dann den für uns passenden Weg wählen.

So war das für mich. Ich habe Informationen gesammelt, nachgedacht und dann meist aus dem Bauch heraus entschieden. Ich mache es immer noch so, auch wenn ich jetzt beim dritten Kind unseren Weg natürlich schon viel klarer vor Augen habe.

Für mich persönlich sind also Wissen von außen, bewusstes Nachdenken und intuitives Handeln alle drei unverzichtbar um meinen Weg als Mutter zu gehen. Nun hat mich interessiert, was die Wissenschaftler darüber herausgefunden haben.

Woher wissen wir, wie Muttersein geht?

Alles was wir tun – auch alles, was wir als Mutter tun – tun wir aus einem der folgenden Gründe

  • Es ist ein angeborener Automatismus, wie z.B die Atmung.
  • Es ist ein angeborenes Handlungsmuster, wie instinktives Verhalten oder Reflexe.
  • Wir haben uns bewusst oder unbewusst (rational oder intuitiv) dafür entschieden.

Der Mutterinstinkt

Der Mutterinstinkt hilft uns ohne Frage dabei, unsere Rolle als Mutter mutig anzunehmen und mit vollem Einsatz für unsere Kinder da zu sein. Doch dieser Instinkt ist anfällig für Störungen. So ist zum Beispiel bekannt, dass es hormonelle Voraussetzungen für das Erwachen des Mutterinstinktes gibt. Diese werden nur dann geschaffen, wenn Mutter und Kind in den Wochen und Monaten nach der Geburt viel intensiven Körperkontakt haben. Schon das ist in unserer Gesellschaft oder aus gesundheitlichen Gründen bei Mutter und Kind nicht immer gegeben.

Außerdem unterdrücken wir unsere Instinkte teilweise ganz bewusst, um – statt uns von ihnen leiten zu lassen – bewusste Entscheidungen zu treffen. Wir schalten – bewusst und unbewusst – unser Gehirn ein. Genau das ist es doch, was uns von anderen Säugetieren unterscheidet.

Der gesunde Menschenverstand

Wenn wir sagen „Das sagt mir mein gesunder Menschenverstand“, dann meinen wir damit in der Regel, dass wir rational entschieden haben. Dass dies überhaupt nicht möglich ist, fand der Neurologe Antonio Damasio 1982 heraus, als er einen Patienten begleitete. Dieser hatte durch eine Operation am Gehirn seine Emotionen verloren. Sein IQ war unverändert. Ohne seine Gefühle konnte der Mann sich nicht mehr entscheiden – auch bei den kleinsten, alltäglichen Dingen nicht. Damasio konnte dieses Phänomen bei weiteren Patienten mit Schädigungen in den emotionalen Regionen des Gehirns finden.

Doch vergessen wir für einen Moment, dass auch unsere scheinbar rationalen Entscheidungen stark durch unsere Emotionen beeinflusst werden.  Um rational entscheiden zu können, brauchen wir auf jeden Fall eines: Informationen und Erfahrungen. Kaum jemand dürfte in der Lage sein alle für seine Lebenssituation relevanten Informationen selbst zu sammeln. Wir sind also für unsere rationalen Entscheidungen fast immer auf Informationen Dritter angewiesen.

Wenn wir keine Informationen haben, dann müssen wir uns eben auf unser Bauchgefühl verlassen.

Auch das Bauchgefühl braucht Informationen

Denn für unser Bauchgefühl brauchen wir keine Informationen. Wir spüren dann doch einfach, was für uns und unsere Kinder das Richtige ist. Oder?

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Intuition – also das Bauchgefühl – nur dann funktioniert, wenn ein entsprechend großer und stabiler Erfahrungsschatz vorhanden ist. Intuition ist nach heutigem Wissensstand nichts anderes als eine blitzschnelle Bewertung der Situation anhand verschiedener Faktoren aus unserem Erfahrungs- und Wissensschatz. Diese Aktivität ist im Gehirn nachweisbar, auch wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen.

In Fragen der Mutterschaft können wir auf Basis dessen intuitiv entscheiden, was wir selbst erlebt haben. Eine Mutter, die in einer Großfamilie mit vielen Geschwistern, Nichten und Neffen aufgewachsen ist, wird sich damit leicht tun.

Viele von uns sind ohne entsprechende Rollenvorbilder groß geworden oder wollen sich bewusst von ihnen lösen. Dann bleibt uns nichts anderes, als vorerst auf Erfahrungen anderer Menschen zurückzugreifen und durch Nachdenken und Ausprobieren unseren Weg zu finden.

Fazit

Der angeborene (Mutter-)instinkt mag uns Frauen befähigen, uns ein Kind machen zu lassen und vielleicht könnten wir es auch noch ohne Hilfe gebären (vorausgesetzt, wir haben ausreichend Ruhe, um uns ganz auf unseren Körper einzulassen). Sicher würden wir unser Baby auch instinktiv wärmen und es stillen, wenn es vor Hunger weint.

Doch um ein Kind in ein Leben in der modernen Welt zu begleiten, genügen unsere Instinkte nicht. Da braucht es gesunden Menschenverstand und eine große Portion Bauchgefühl. Für beides brauchen wir Erfahrungen, die wir in der Regel nicht mehr in ausreichender Form in unseren Herkunftsfamilien oder einem anderen sozialen System machen können. Wir können wunderbare, intelligente, souveräne Frauen sein und dennoch mit einigen Aspekten unserer Mutterrolle überfordert. Vielleicht haben wir beruflich schon richtig Karriere gemacht, doch noch nie eine Mutter beobachtet, die ihr vor Wut brüllendes Kleinkind beruhigt.

Ist es da nicht wunderbar, dass wir durch Literatur und Medien Zugang zum Wissen und den Erfahrungen unendlich vieler anderer Menschen haben? Umso mehr sind natürlich Kopf UND Bauch gefragt, um aus den unzähligen Wegen den für uns richtigen auszuwählen.

Ich hoffe, dass ich durch meine Arbeit und meine Blogartikel zu Klarheit beitragen kann. Ich bewundere all jene, deren eigene Erfahrungen so umfassend sind, dass sie keine Anregungen von außen brauchen. Alle anderen will ich ermutigen, so lange zu mit dem Kopf zu lernen und dem Bauch zu spüren, bis das Herz begeistert jubelt.

Mach es Dir leicht.

PS: Hast Du Dich schon angemeldet zur gratis 5-Tage-Challenge „Klarheit in der Kommunikation – Ordnung im Zuhause“?

Ich freue mich auf Dich.