
Wie Dein Alltag gelingt, ohne Deine Kinder ständig anzuschieben – Ein Therapieplan
Ich leide unter einer akuten Anschieberitis: Ich habe das Gefühl meinen Sohn den lieben langen Tag verbal (und teilweise durchaus auch körperlich) anschieben zu müssen. Nur so gelingt es uns überhaupt je das Haus zu verlassen, gemeinsame Mahlzeiten einzunehmen oder ähnliches. Ich habe mir nun selbst einen Therapieplan erstellt, mit dem ich mir schon etwas Linderung verschaffen konnte. Gehörst Du auch zu den Müttern, die unter Anschieberitis leiden? Dann kann Dir dieser Therapieplan vielleicht auch helfen.
Es hat sein Gutes
Mehrmals täglich – und das seit Jahren – stehe ich vor einer großen Herausforderung: Ein nur körperlich anwesender Junge bringt mich an meine Grenzen. Er nimmt mich einfach nicht wahr und tut somit auch nicht, worum ich ihn bitte. Ich werde dann manchmal so richtig sauer.
Wann immer ich einen Moment inne halte und genauer hinschaue, sehe ich die Situation ganz anders: Da ist ein Junge, der sich ganz und gar auf sein Tun eingelassen hat. Er ist tief konzentriert, ernsthaft und fokussiert bei dem, was er tut. Alles andere ist für ihn weit im Hintergrund. Er ist ganz bei sich und seiner Aufgabe. Er lässt sich nicht ablenken und nicht aus der Ruhe bringen. Und: Er weiß genau, was er will und was nicht.
Sind das nicht Fähigkeiten, die wir uns für unsere Kinder und auch für uns selbst wünschen?
Lasst uns ein Stück weit aus unserer Alltagsroutine heraus treten und das Positive am Verhalten unserer Kinder sehen. Schon alleine das ist wunderbar wohltuend. Es ist wie eine beruhigende Salbe, die wir uns hin und wieder für unsere blankliegenden Nerven gönnen dürfen.
Die Ursache der Anschieberistis
Noch besser ist es natürlich, unsere Nerven von vorne herein zu schonen. Dafür ist es hilfreich, wenn wir uns klar machen, woher die Anschieberitis kommt.
Ganz einfach: Da ist ein Kind, das mit der Fähigkeit gesegnet ist sich zu fokussieren und dessen Zeitempfinden und Weltsicht nicht dem eines Erwachsenen entspricht. Und da ist eine Mutter, die ihren Alltag nach bestem Wissen und Gewissen managen will.
Das passt an machen Stellen nicht zusammen. So ist es nun mal. Dennoch muss die Anschieberitis nicht oder zumindest nicht in ihrer schwersten Form ausbrechen. Viele akute Schübe kannst Du sogar ganz vermeiden.
Pseudo-Anschieberitis
Seien wir mal ehrlich: Es gibt jeden Tag Situationen, in denen uns alleine unsere Vorstellung antreibt. Ist es nicht egal, ob wir für den Heimweg vom Kindergarten nur 10 Minuten brauchen um dann noch 2 Stunden auf dem Spielplatz sein zu können, oder ob wir 45 min brauchen und dann nicht mehr so viel Zeit auf dem Spielplatz haben?
Bei unserem dritten Kind gelingt mir das viel besser, als bei unseren ersten beiden. Ich gönne mir regelmäßig, mich an sein Tempo anzupassen. Unter dem Strich verliere ich damit gar nicht so viel Zeit und ich schone meine Nerven. Es dauert dann eben mal 10 Minuten länger. Dafür habe ich eine schöne Zeit mit meinem Kleinen gehabt und kann umso energiegeladener den Rest des Tages gestalten.
Es gibt also viele Situationen in denen es gar keine echte Anschieberitis ist, sondern eher Gewohnheit. Da hilft tief durchatmen – besinnen – und genießen!
In anderen Situationen wiederum ist es mit „dann kommen wir halt später an oder lassen es ganz sein“ nicht getan. Und hier setzt mein Therapieplan an:
Therapieplan bei akuten Anschieberitis-Schüben
1. Lass die Opferrolle hinter Dir
Atme erst mal tief durch und mache Dir Folgendes klar: Du bist die Erwachsene und – was auch immer Du vor hast – es ist DEIN Plan. Es ist auch dann DEIN Plan, wenn er zum Besten Deines Kindes ist. Denk daran: Dein Kind ist gerade vertieft (oder wie es auch so schön heißt „im flow“). Da gibt es gerade nichts Besseres oder Wichtigeres.
Wähle ganz bewusst, die Situation nach Deinem Plan zu gestalten und Dein Kind dabei liebevoll zu führen. WICHTIG: Du hast natürlich vorher schon abgewägt, ob es wirklich so wichtig ist, Deinen Plan auch genau so durchzuziehen.
2. Begib Dich an den Ort des Geschehens
Jetzt habe ich eine Frage: Wenn Du Dein Kind irgendwo abholen willst – sagen wir vom Sportverein – was tust Du dann zuerst? Du gehst oder fährst wahrscheinlich zum Sportverein hin. Das scheint banal. Dennoch tun wir es im Alltag mit unseren Kindern nicht. Wir gehen nicht auf unsere Kinder zu und wundern uns dann, wenn sie und nicht wahrnehmen.
Mache Dir nochmal klar: Du bist gerade in einer Welt, in der Du einen Plan umsetzen willst und Dein Kind ist in einer Welt, in der es eine wichtige Aufgabe löst. Was ist also der erste Schritt? Wir begeben uns in die Erlebenswelt unseres Kindes. Was tut es da gerade? Was ist gerade so wichtig und interessant? Nimm es einfach wahr und stelle Dich innerlich auf Dein Kind ein.
3. Stelle Kontakt her und verweile
Ich komme nochmal auf das Beispiel mit dem Sportverein zurück. Du bist also nun am Sportverein angekommen und siehst Dein Kind in ein Gespräch vertieft vor dem Sportheim stehen. Auch jetzt erwartest Du sicher nicht, dass Dein Kind von alleine bemerkt, dass Du da bist. Du wirst aus dem Auto steigen und Dein Kind ansprechen.
Auch dieser Schritt ist entscheidend für die Anschieberitis-Therapie: Sprich Dein Kind freundlich an und warte bis Deine Stimme zu ihm durchdringt und es Dich ansieht. Manchmal ist es dafür auch nötig, das Kind sanft am Arm zu berühren. Wenn es Dir gelungen ist einen Blick Deines Kindes zu ergattern, dann nimm noch einen bewussten Atemzug und sprich es dann an.
WICHTIG: Hüte Dich davor, jetzt schon Dein Anliegen vorzubringen. Du bist Gast in der Erlebenswelt Deines Kindes. Bringe als Gastgeschenk einige Minuten Deiner vollen Aufmerksamkeit mit. Sprich aus, was Du siehst und stelle Fragen. „Was machst Du da gerade? Kannst Du mir zeigen, wie es geht?“
4. Lade Dein Kind ein, mit in Deine Erlebenswelt zu kommen.
Erst wenn Du einen Moment mit Deinem Kind in seiner Welt warst, berichte ihm aus Deiner Welt: „Ich habe gerade gesehen, es ist schon 17:30 Uhr. Ich will bald zu Abend essen. Auf dem Tisch liegen noch Deine Sammelkarten verteilt.“ Dann lade Dein Kind ein, mit in Deine Welt zu kommen. Sei Dir darüber im Klaren, dass Deine Welt gerade nicht besonders verlockend erscheint. 😉 Ich habe vier Strategien gefunden, mit denen ich meine Welt für unseren Sohn attraktiver machen kann:
Erste Strategie: Wettbewerb
Ich veranstalte einen kleinen Wettbewerb: „Ich bin sicher, heute bin ich zuerst an der Garderobe.“ (Das hat bei unserem Großen bis etwa 5 Jahre funktioniert. Und auch nur dann, wenn wir wirklich mit vollem Einsatz dabei waren.)
Zweite Strategie: Quatsch machen
„Ich habe heute gar keine Lust den Tisch abzuräumen. Deshalb mach ich jetzt den Abräumtanz mit lauter Musik. Wer macht mit?“
Dritte Strategie: Folgen mit einem Augenzwinkern dramatisieren
Ich schluchze herzzerreißend und breche theatralisch zusammen: „Wenn Du jetzt nicht den Tisch deckst, dann müssen wir mit Fingern vom Tisch essen. Ich will das niiihiiicht! HuuuHuuuHuuuuuu!!!“ Dabei empfinde ich es als enorm wichtig, so stark zu übertreiben, dass auch unser Jüngster ganz eindeutig erkennt , dass ich Quatsch mache. Ich will damit keine Schuldgefühle machen. Ich will lediglich zu meinen Kindern durchdringen. Mit sachlichen Erklärungen komme ich da meist nicht weit.
Vierte Strategie: um Hilfe bitten
Wenn mir nicht nach Blödeln zumute ist, dann bitte ich schlicht und einfach um Hilfe: „Ich brauche heute Deine Hilfe, damit ich meinen Termin einhalten kann. Kannst Du bitte…?“ Ich kenne kaum ein Kind, das nicht zum Wohlbefinden seiner Eltern beitragen will.
Dabei ist es wichtig, dass die Bitte von Herzen kommt. Wenn Du Dein Kind damit nur manipulieren willst, wird es keine Wirkung zeigen.
Wenn alles nichts hilft – sei nett zu Dir!
Vielleicht denkst Du Dir jetzt: „Das ist ja alles schön und gut und mag auch funktionieren. Doch manchmal habe ich einfach keine Zeit und Energie mich derart intensiv auf mein Kind einzulassen.“
Ich verstehe Dich da nur zu gut. Und ich empfehle Dir, Dir dann auch guten Gewissens zu gönnen, einfach mal nicht die perfekte, nette Mama zu sein. Wichtig finde ich, dass wir uns immer wieder darauf besinnen, wie es auch gehen kann. Umso öfter wir den freundlichen Weg ohne Druck wählen, umso weniger Energie kostet uns der Alltag und umso mehr Energie haben wir uns ganz auf unsere Kinder einzulassen. Ein Engelskreis! 😉
Ich wünsche Dir gute Besserung für Deine Anschieberitis.
Lebe eigen-Sinnig!
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