Drei wirksame Soforthilfe-Strategien gegen Frust und Erschöpfung im Familienalltag
Kennst Du das auch? Du bist schlecht gelaunt und erschöpft und könntest es richtig gut gebrauchen, dass alles glatt läuft. Und gerade dann sind die Kinder besonders fordernd und wenig kooperativ. Also ich kenne das nur zu gut. Und ich habe bemerkt, dass ich dann die Wahl habe: Ich kann mich irgendwie mit letzter Kraft durch den Tag kämpfen und darauf hoffen, dass es am nächsten Tag besser sein wird. Oder ich wähle ganz aktiv einen anderen Weg. Mir hilft dann (fast) immer eine der folgenden Strategien:
Soforthilfe-Strategie 1: Schweigen
Ich beobachte an uns Müttern immer wieder (auch an mir selbst), dass wir eine Situation durch Reden besser machen wollen. Wir reihen ohne Punkt und Komma einen Satz an den anderen – in der Hoffnung irgendetwas zu erreichen. Dabei laufen wir auf Hochtouren, verbrauchen Unmengen von Energie und bewirken oft nichts. Da ist es effizienter, zu schweigen.
Diese Strategie hilft, wenn…
… Du das Gefühl hast, einfach keine Energie für noch mehr Diskussionen zu haben.
… Du etwas von einem Familienmitglied willst, und niemand hinhört.
… Du Dir einige Minuten Ruhe gönnen willst.
Schweigen macht Sinn, wenn es für Dich wohltuend ist oder Reden eh nichts bringt. Sonst dient Dir eine der anderen Strategien oder einer meiner 10 besten Kommunikationstipps vielleicht mehr.
Die innere Haltung
Das Wichtige an dieser Strategie ist die innere Haltung, mit der Du schweigst. Natürlich wird es Dir nicht besser gehen, wenn Du resigniert aufgibst und dann beleidigt gar nichts mehr sagst. Atme statt dessen tief durch, lass Deine verspannten Muskeln locker und begebe Dich bewusst in den Beobachtungsmodus. Nimm wahr, was um Dich herum geschieht und achte vor allen Dingen darauf, was Dir gut tun könnte.
Beispiele:
Kaum ist Anjas Sohn aufgestanden, will er mit Anja spielen. Anja hat schlecht geschlafen und will erst in Ruhe einen Kaffee trinken. Danach will sie etwas Ordnung schaffen. Das sagt sie ihrem Sohn. „Biiiitte Mama, nur 10 Minuten.“ – „Nein, ich will jetzt nicht spielen.“ – „Du kannst doch später aufräumen.“ ….
Ich schätze, Du kennst solche Diskussionen. Anja bemerkt, wie sie wütend wird und entscheidet sich stattdessen für die Schweige-Strategie. „Ich konzentriere mich jetzt auf meine Arbeit und sage dazu nichts mehr. Ich werde Dir sagen, wenn ich soweit bin.“
Anna hat nach der Arbeit eine Stunde mit Hochdruck aufgeräumt und geputzt. Als ihre Kinder von Schule und Kindergarten nach Hause kommen, lassen sie ihre Taschen, Jacken und Schuhe im Flur einfach fallen. Anna ruft: „Bitte hebt Eure Sachen auf, bevor ihr zu spielen anfangt.“ Dieser Satz verhallt ungehört und Anna beginnt einen Vortrag darüber, was sie alles leistet, wer ihr dabei nicht hilft und wie ihre Bemühungen sogar boykottiert werden. Als auch jetzt niemand reagiert, geht Anna zu ihrer Tochter ins Zimmer. Anna fühlt sich hilflos, erschöpft und mutlos. Schon will sie ihrem Frust Luft machen. Da sieht sie ihre Tochter in voller Konzentration mit ihren Kuscheltieren spielen und hält inne.
Anna schweigt. Sie atmet einige Male bewusst. Sie spürt ihre Müdigkeit und setzt sich auf das Bett ihrer Tochter. Sie gönnt sich eine Pause und freut sich an ihrer Tochter. (Du wirst bei Strategie 3 erfahren, wie es mit Anna und den Jacken, Taschen und Schuhen weiter geht.)
Maren fährt nach einem anstrengenden Nachmittag mit ihren Kindern im Auto nach Hause. Beide Kinder erzählen und erzählen. Es gelingt Maren kaum, sich darauf zu konzentrieren – ja, sie ist sogar richtig genervt davon.
„Kinder, ich will gerne wissen, was ihr mir zu sagen habt. Jetzt im Moment brauche ich gerade eine Pause und werde nicht mehr hinhören und nichts mehr dazu sagen.“ Maren dreht das Radio lauter und schweigt. (Ich habe hier Situationen im Sinn, in denen Du erschöpft bist und gerade nichts mehr zu geben hast. Ich will Dich nicht ermutigen, Deine Kinder regelmäßig mit Musik zu übertönen.)
Bitte beachte
Wenn Du Dich gerade mitten in einem Dialog befindest und Dich für eine Runde Schweigen entscheidest, dann sei fair: Kündige an, dass Du Dir jetzt eine Redepause gönnst.
Soforthilfe-Strategie 2: Nachgeben
Die Meinung „man müsse als Eltern konsequent sein“ ist weit verbreitet. Ich finde es vor allen Dingen anstrengend konsequent zu sein. Ich gönne mir, auf mich selbst zu achten und meiner Familie gegenüber nachgiebig zu sein.
Diese Strategie hilft, wenn…
… Du merkst, dass es Dir gerade weniger wichtig ist, als Du ursprünglich dachtest.
… Du einfach keine Energie übrig hast, Deine Meinung zu vertreten.
… Du merkst, dass es gar nicht wirklich Deine Meinung ist.
Beispiele:
Angela bereitet gerade das Abendessen zu. Ihr Sohn Max jammert nach Süßem. Angela will ihren Kindern direkt vor dem Essen nichts Süßes geben und tut das sonst auch nicht. Heute ist schon den ganzen Tag der Wurm drin. Angela und ihr Sohn sind müde und schlecht gelaunt.
Angela entscheidet sich bewusst dafür, heute nachzugeben. „Das war ein anstrengender Tag, was? Du hast ganz schön Hunger und es ist schwer aufs Essen zu warten, oder? Und weißt Du was: Ich könnte auch ein Stück Schokolade vertragen. Lass uns einen Riegel teilen.“
Franziska findet ausreichend Schlaf wichtig. Deshalb ist es für die Familie zur Gewohnheit geworden, dass die Kinder nach einer ausführlichen Vorlesestunde frühzeitig schlafen. Ausgerechnet heute, wo Franziska sich so nach einem ruhigen Abend gesehnt hat, weigert sich ihr Sohn das Licht zu löschen. Er will noch spielen. Erst will Franziska ihn davon überzeugen, lieber zu schlafen. Dann bemerkt sie, wie nahe sie an Ärger und Wut ist.
Sie atmet tief durch und sagt freundlich: „Ich habe gerade keine Energie übrig, mit Dir darüber zu diskutieren. Ich halte es für vernünftig, wenn Du jetzt schläfst. Doch ich lasse Dich das heute entscheiden.“ (Ich bin nicht für eine Laissez-Faire-Haltung, sondern für Nachgiebigkeit – wenn es für alle Beteiligten die beste Lösung ist. Die Alternative wäre hier ein Streit, der den Jungen auch vom Schlafen abhalten würde.)
Sandra ist es leid, ihre Tochter ständig zu ermahnen, beim Essen Besteck zu benutzen.
Ihr wird bewusst, dass es für sie in Ordnung ist, wenn die Dreijährige mit den Fingern isst. „Weißt Du, manche Menschen sehen es lieber, wenn auch Kinder mit Besteck essen. Für mich ist es in Ordnung, wenn Du Deine Finger benutzt. Solange wir zuhause essen und keine Gäste haben, kannst Du es gerne tun.“
Wichtig
Wenn Du nachgibst, dann steh auch dazu. Mache nicht Deinem Kind ein schlechtes Gewissen. „Na gut, dann lese ich eben noch ein Geschichte vor. Wenn es Dir egal ist, dass Du mir den Abend kaputt machst.“ Das ist unfair!
Soforthilfe-Strategie 3: Gut sein lassen
Jede Entwicklungsphase unserer Kinder hält für uns Herausforderungen bereit. Abstillen, Schnuller abgeben, sauber werden, erste Abschiede von Mama und Papa, Verantwortung übernehmen, Ordnung halten, pünktlich sein, ….
Wenn wir gerade ausreichend Energie dafür übrig haben, können wir 15 Ratgeber lesen, 23 neue Erziehungstipps befolgen und ein vielleicht sogar ein Psychologiestudium absolvieren, um die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt und dem richtigen Vorgehen zu klären.
Oder wir lassen es einfach gut sein. Die meisten Phasen sind ohnehin vorbei ehe wir eine passende Lösung gefunden haben.
Diese Strategie hilft, wenn…
… Du gerade an einer Situation nichts ändern kannst.
… Du merkst, dass Dich Dein Ärger nur Energie kostet und keinen Schritt weiter bringt.
… Du schon zu viel Kraft und Zeit investiert hast und Deinem Ziel noch nicht näher gekommen bist.
Beispiele:
Der kleine Kilian weigert sich seit einiger Zeit eine Windel zu tragen. Doch auf die Toilette geht er auch trotz vieler Erinnerungen nicht. Deshalb sind Tag für Tag mindestens 3 Hosen nass. Kilians Mutter ist am Verzweifeln. Sie hat es satt, jeden Tag Hosen zu waschen und es ärgert sie maßlos, dass ihr Sohn nicht aufs Klo geht. Eine gute Freundin bringt ihr einen großen Stapel Hosen vom Trödelmarkt mit und sagt:
„Lass es einfach gut sein. Erinnere ihn nicht mehr und kommentiere die nassen Hosen nicht mehr.“ Bereits zwei Tage später geht Kilian zum ersten Mal von sich aus auf die Toilette.
Nochmal Anna und die Taschen, Jacken und Schuhe im Flur: Anna bemerkt, dass der Ärger sie mehr Energie kostet, als die paar Handgriffe um die Sachen wegzuräumen. Am Abend in ruhiger Atmosphäre am Esstisch erklärt sie ihrer Familie:
„Ihr wisst, dass mich Eure Klamotten und Taschen im Flur auf dem Boden nerven. Und noch mehr nervt es mich, mit Euch darüber zu streiten. Ich werde es gut sein lassen und die Sachen in Zukunft selbst wegräumen. So erreiche ich mein Ziel von einem ordentlichen Flur leichter. Ich freue mich, wenn Ihr mich dabei unterstützt.“
Wichtig
Es geht mir hier nicht darum, zu resignieren und alles einfach so zu nehmen, wie es kommt. Sondern darum, wachsam zu sein für andere Wege, die sich auftun, anstatt etwas erzwingen zu wollen.
Fazit
Wir haben die Wahl zwischen Druck und Gelassenheit. Druck kostet Energie und erzeugt Gegendruck. Gelassenheit ist ruhig, weich und wohltuend. Lass uns schweigen, nachgeben und Situationen so annehmen wie sie sind! Dann bleibt uns mehr Kraft, um das Leben mit unseren Familien zu genießen.
Lebe KLuG (mir Klarheit, Leichtigkeit und Genuss)!
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