Warum Kinder lügen und wie Du als Mama damit am besten umgehst

Es gibt etwas, das Mütter besonders betroffen macht: Wenn ihre Kinder sie anlügen. Eine Lüge des eigenen Kindes löst bei einer Mutter eine Welle von Emotionen aus: Enttäuschung („Ich dachte in unserer Familie können wir uns vertrauen.“), Wut über die Ungerechtigkeit („Womit habe ich das verdient?“), Bedauern über die eigene Unfähigkeit („Vielleicht hätte ich doch …“) und Angst vor der Zukunft („Was wenn es zur Gewohnheit wird?“). Und über allem schwebt die große Frage: „Wie gehe ich jetzt damit um?“

Mit diesem Artikel will ich der Situation etwas Emotionalität nehmen und Dir zeigen, was Du sagen kannst, wenn Dein Kind lügt.

Menschen lügen eben

Zuerst will ich einige grundsätzliche Gedanken zum Lügen mit Dir teilen. Lügen hat einen sehr schlechten Ruf. Die Werte Vertrauen und Ehrlichkeit werden in jeglicher Art von Beziehung oft an erster Stelle genannt.

Klar, wir wollen wissen, woran wir sind und nicht ständig irgendwelche bösen Überraschungen erleben. Und doch lügen wir alle Tag für Tag.

Verschiedene Studien kommen auf zwei bis 200 mal Lügen am Tag. Natürlich sind das oft sogenannte Notlügen oder auch Unehrlichkeiten Fremden gegenüber. Und doch lügen wir. Lügen hat eben auch viele Vorteile:

Lügen macht das Leben leichter!

Du hast keine Lust auf ein Kaffeekränzchen mit einigen Frauen aus dem Turnverein? Da ist es schlicht einfacher einen Zahnarzttermin vorzuschieben, statt zuzugeben, dass eine der Frauen Dich nervt.

Lügen schützt!

Wusstest Du, dass der rote Samenmantel der hochgiftigen Eibe essbar und angeblich sogar sehr lecker ist? Ich weiß es und dennoch habe ich meinen Kindern erzählt, dass sie die Eibe am besten gar nicht berühren, weil sie so giftig ist. Es ist für kleine Kinder manchmal klarer und übersichtlicher, wenn wir unsere Erfahrungen pauschalisieren – auch wenn dabei mal eine Lüge heraus kommt.

Auch die Aussage: „Lass uns Karius & Baktus aus Deinem Mund verscheuchen. Sonst hämmern die an Deinen Zähnen und tun Dir weh.“ ist eine Lüge. Und doch ist der Zusammenhang so für ein zweijähriges Kind leichter zu erfassen.

Lügen ist kreativ und macht Spaß!

Die Grenzen zwischen Lügen und Phantasie sind fließend. So gibt es zum Beispiel immer wieder viele Diskussionen im Netz über das Für und Wider von Christkind, Zahnfee und Co. Ich glaube, es macht Kindern einfach Spaß an Fabelwesen zu glauben. Warum sollten wir da nicht mitspielen?

Und wenn ich zu meinem Sohn sage „Ich bin neugierig, ob Du es schaffst Deine Schuhe schneller anzuziehen als ich.“, dann ist das eine Lüge – ich will einfach, dass er seine Schuhe anzieht. Doch was macht mehr Spaß?

Lügen hilft dabei, die Realität kennen zu lernen.

Kinder durchleben immer wieder Phasen, in denen Lügen ihnen hilft, die Realität zu erfahren. Für kleine Kinder ist alles, was ein Erwachsener sagt, wahr. Irgendwann wollen sie erfahren „Was passiert, wenn ich etwas sage? Ist es dann so?“ Kinder haben anfangs noch kein Konzept dafür, dass Lügen etwas Schlechtes ist. Es ist ein Spiel und gleichzeitig ein wichtiges Lernfeld.

WICHTIG: Ich will natürlich nicht sagen, dass Lügen „gut“ ist. Ich empfinde Hochachtung vor Menschen, die ganz und gar ehrlich sind. Mir gelingt es nicht immer. Und ich kann damit gut leben.

Jetzt frage ich Dich: Ist Lügen wirklich immer und ausnahmslos verletzend und böse? Und wo ist die Grenze? Wer entscheidet das?

Kinder sollen nicht lügen?

Warum erschüttert es uns so, wenn unsere Kinder uns anlügen?

Na klar, niemand ist uns näher, als unsere Kinder! Wir wissen oft schon, was in ihnen vorgeht, bevor sie es überhaupt selbst wissen. Da tut es weh, wenn sie uns diese Fähigkeit durch ihre Lüge aberkennen.

Außerdem ist es ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie sich von uns lösen, sich ihre eigene Wirklichkeit erschaffen. Wollen sie sich vielleicht sogar unserer Kontrolle entziehen durch ihre Lüge?

Und natürlich wünschen wir uns, dass unsere Kinder ehrliche, aufrichtige Erwachsene werden. Sonst hätten wir ja auch irgendwie versagt.

Zu guter Letzt erinnern uns Lügen unserer Kinder auch immer an unsere eigenen kleinen und großen (Not-)Lügen, die wir ihnen gegenüber gebraucht haben. Das ist ganz schön unangenehm.

Du siehst also: Die Lüge unseres Kindes ist einfach nur eine Lüge – ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. Das gilt umso mehr, umso kleiner das Kind ist. Da gibt es keinen großen Plan dahinter – das Lügen ist gerade einfach spannend, lustig oder scheint dem Kind nötig (zum Beispiel, weil es etwas tun will, was wir nicht erlauben würden).

Das uns das Lügen so schlimm erscheint, hat einzig mit uns selbst zu tun. Es löst so viel in uns aus – da brauchen wir einen Plan, wie wir darauf reagieren:

Was Du tun kannst, wenn sie es tun

Es gibt weniger die typische Lügnerpersönlichkeit als das typische Lügnerumfeld. Wer etwa unter Leistungsdruck steht und sich rechtfertigen muss, wird eher flunkern und betrügen als jemand, der mit breiter Brust in der Welt steht und niemandem mehr etwas beweisen muss.

Diesen Satz habe ich in einem Artikel der Welt online übers Lügen gefunden. Auch Zeitdruck haben Studien als Auslöser fürs Lügen erkannt. Du kannst Lügen Deiner Kinder also durchaus vorbeugen.

Lügen sind manchmal vermeidbar

Schaffe ein möglichst wohliges, von Vertrauen geprägtes Umfeld für Deine Kinder. Dann brauchen sie Lügen als Strategie weitaus seltener. Und doch werden sie es vermutlich irgendwann tun. Deshalb bitte ich Dich, jetzt darüber nachzudenken, wie Du damit umgehen willst.

Wähle jetzt Deinen Weg.

Du hast wie immer im Leben zwei Möglichkeiten: Annehmen und das Beste daraus machen oder dagegen angehen. Wenn Du jetzt entscheidest, dass Du das Lügen bei Deinem Kind ausmerzen willst, dann brauchst Du Strategien es zu überführen und dann wirkungsvolle Strafen. Dann ist das hier nicht der richtige Blog für Dich: Ich glaube, dass Kinder daraus vor allen Dingen eines Lernen: Geschickter zu Lügen 😉

Ich will meinen Kindern ein Gespür für Ehrlichkeit und Vertrauen mit auf den Weg geben. Und ich will, dass sie eines wissen: Ich vertraue ihnen aus tiefstem Herzen. Immer. Bedingungslos. Das ist die wirkungsvollste Methode um Ehrlichkeit zu ernten.

Mein erstes Mal mit 16

Ich will Dir dazu etwas aus meiner Kindheit erzählen: Meinen Eltern ist es gelungen, immer und ausnahmslos hinter meinem Bruder und mir zu stehen und uns zu vertrauen. Ich habe meine Eltern zum ersten (und einzigen) Mal angelogen, als ich 16 war. Ich behauptete auf eine private Silvesterparty zu gehen und ging stattdessen mit einer Freundin in die Stadt. Noch vor Mitternacht rief ich meine Eltern weinend an und erzählte ihnen, wo ich war…

Das Wissen darum, dass mir das Vertrauen meiner Eltern sicher ist, gibt mir unendlich viel Kraft.

Wenn Du Deinen Kindern dieses Geschenk des bedingungslosen Vertrauens auch machen willst, dann lies weiter:

Schritt 1: Mach Dir klar, was für Dich so schlimm ist.

Was schmerzt so sehr an der Lüge? Ist ein realer Schaden entstanden? Oder wurmt Dich vielleicht nur der Glaubenssatz, dass „man nicht lügt“?

Schritt 2: Schenke Dir selbst Einfühlung.

Gönne Dir ein paar Minuten, um verständnisvoll mit Dir selbst zu sein.

Schritt 3: Benenne was ist und vertraue Deinem Kind!

Vertraue Deinem Kind – was natürlich nicht heißt, dass Du alles glauben und gut heißen musst. Was ich damit meine, erkläre ich Dir am besten an einigen Beispielen:

Die 8-jährige Maria darf noch nicht alleine mit dem Familienhund spazieren gehen, da er teilweise aggressiv auf andere Hunde reagiert. Als Maria eines Tages alleine zu Hause ist, dreht sie eine Runde mit ihrem Aro. Einige Tage später spricht eine Nachbarin Marias Mutter darauf an. Die Mutter spricht Maria darauf an: „Frau Haber hat mir erzählt, dass sie Dich gestern Nachmittag mit Aro draußen gesehen hat. Sie hat Angst um ihren Dackel. Sie hat mich gebeten, Dich nicht mehr alleine mit Aro raus zu lassen.“ – „Ich war gar nicht mit Aro spazieren.“ – „In Ordnung. Da bin ich erleichtert. Ich wäre schrecklich traurig, wenn unser Aro einen anderen Hund verletzen würde.“

Der vierjährige Max spielt mit seiner Mutter Karten. Als sie nach einer Runde zur Toilette geht, sagt er: „Ich teile schon aus.“ Beim Reinkommen sieht die Mutter noch, wie Max Karten sortiert. Max versichert ungefragt: „Ich habe ganz normal nur ausgeteilt.“ Die Mutter spielt mit ihm, als sei alles ganz normal. Max gewinnt. „Welch ein Glück für Dich, dass Du alle Joker hattest.“

Unser Kleiner hat eine Weile gerne Dinge aus dem Kindergarten mit nach Hause genommen. Wenn ich sie entdeckte, war mir natürlich sofort klar, was gelaufen war. Dennoch benannte ich nur, was ich sehen konnte: „Oh, da sind Bausteine aus dem Kindergarten in Deiner Hosentasche.“ – „Die haben die Diebe geklaut und ich hab sie im Wald gefunden.“ – „So ein Glück! Da wird sich Anne freuen, wenn Du ihr die Bausteine morgen wieder gibst.“

Natürlich weiß ich, dass mein Kleiner die Bausteine nicht im Wald gefunden hatte. Dennoch vertraute ich darauf, dass er mit dieser Geschichte, die für sich beste Lösung gefunden hatte. Wie schrecklich wäre es gewesen, wenn ich diesen kleinen, freundlichen Jungen bloßgestellt und ihm bewiesen hätte, dass er etwas falsches und ganz schlimmes getan hat. Ich bin fest überzeugt, es hätte viel mehr geschadet, als er daraus gelernt hätte.

Kleines Update: Unser kleiner Geschichtenerzähler ist jetzt bald in der dritten Klasse. Er flunkert noch immer gerne und teilweise mit voller Überzeugung – wenn er niemandem damit schadet und selbst Vorteile daraus hat. Gleichzeitig ist er ein so ehrlicher, einfühlsamer und loyaler kleiner Kerl, dass ich sogar oft von Eltern anderer Kinder höre, wie wundervoll er ist. Für uns ist die oben beschriebene Strategie voll aufgegangen.

Vielleicht denkst Du Dir jetzt: „Ja, aber die Kinder müssen doch wissen, dass es falsch war, was sie gemacht haben!“ Glaubst Du wirklich, dass die 8-jährige Maria aus dem Beispiel das nicht weiß? Glaubst Du der vierjährige Max wird das nicht bald selbst herausfinden? Tust Du nie Dinge, von denen Du weißt, dass sie „falsch“ sind?

Fazit

Unser bedingungsloses Vertrauen ist eines der wertvollsten Geschenke, die wir unseren Kindern machen können. Lassen wir uns das durch eine kleine – oder auch ganz viele große – ganz normale Lüge(n) unserer Kinder nicht nehmen. Eine Lüge ist erstmal nichts weiter, als eine Geschichte. Erst unsere Bewertungen machen sie zu etwas Schmerzhaftem, Schlechten. Nur in den wenigsten Fällen entsteht durch eine Lüge eine realer Schaden. Es ist also unsere Entscheidung, ob wir unser Vertrauen in unsere Kinder so leicht zerstören lassen oder bedingungslos zu ihnen stehen.

Ich wünsche Dir eine vertrauensvolle Zeit mit Deiner Familie. Mach es Dir leicht!

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