Wie Du Dein Kind dazu bringst, aufzuhören und warum das niemals funktionieren wird

Kinder haben die für uns Erwachsene manchmal verstörende Eigenschaft, dass sie über nahezu unerschöpfliche Energie, Fantasie und Neugierde verfügen. Sie tun dann manchmal (manche auch oft) Dinge, die uns nicht passen. Sie sind über das erträgliche Maß hinaus laut, sie machen Dinge kaputt, sie produzieren Chaos und Schmutz und manchmal tun sie auch anderen Menschen weh.

In all diesen Situationen wünschen wir uns als Eltern eine Art Fernbedienung mit Stopp-Taste. Warum es diese – zum Glück! – nicht gibt und wie Du dennoch gelassener durch den Alltag kommen kannst, verrate ich Dir in diesem Artikel.

Lernen – aber bitte ohne zu stören!

Weißt Du, was Kinder in fasst jedem Augenblick ihres Tages tun? Sie lernen neue Dinge. Da uns das meiste von dem, was sie lernen, schon so vertraut ist, bemerken wir es oft gar nicht. Wenn wir jedoch genauer darüber nachdenken, ist es schon ein echtes Wunder, was unsere Kinder da leisten. Und weißt Du auch, warum sie das schaffen? Genau, Du ahnst es bestimmt schon: Weil sie so unglaublich fantasievoll, neugierig und energiegeladen sind. Das hat die Natur ziemlich gut eingerichtet.

Was nicht so besonders gut dazu passt, ist das Leben, das wir führen – in Häusern, mit Terminen, mit gesellschaftlichen Normen. Als Eltern – und besonders als Mütter, die ja meist den größten Teil der Zeit mit den Kindern verbringen – bringt uns das immer wieder in Konflikte.

Da ist der 1-jährige Naturforscher auf der einen Seite, der helle Teppichboden mit der Erde aus dem Pflanzkübel auf der anderen. Da ist die 3-jährige Künstlerin auf der einen Seite, unsere mit Filzstift bemalte Tapete auf der anderen. Da ist das 6-jährige Kraftpaket auf der einen Seite und sein von körperlichen Attacken nicht so begeistertes, kleines Geschwisterchen auf der anderen. Ich denke, Du weißt, was ich meine.

Ich bin froh, dass wir das Verhalten unserer Kinder nicht nach Belieben unterbrechen können. Das wäre vielleicht bequem für uns, doch schrecklich für die Entwicklung unserer Kinder. Wir bräuchten uns dann gar nicht damit auseinandersetzen, ob gerade unsere Bedürfnisse oder die unseres Kindes wichtiger sind. Wir würden so vermutlich wertvolle Chancen zu Lernen zerstören.

Stopp in Lebensgefahr

Ein Verhalten rigoros und sofort zu unterbrechen gehört für mich deshalb nur in Situationen, in denen das Kind sich selbst oder andere in akute Gefahr für Leib und/oder Seele bringt. Wenn wir ein verbales Stopp-Signal auf solche Situationen beschränken – z.B. gefährliche Situationen im Straßenverkehr – dann funktioniert das meist gut. Das brauchen wir aus meiner Erfahrung nicht mal üben. Die Kinder haben feine Antennen dafür, ob wir etwas gerade wirklich ernst meinen.

Wenn Kinder das „Stopp“ jedoch ständig hören, dann „glauben“ sie es nicht mehr. Sie wissen dann: Wenn ich jetzt nicht höre, passiert auch nichts Schlimmes. Oder zumindest nichts, was für mich schlimmer ist, als jetzt damit aufzuhören.

Warum Stopp nicht funktioniert

Den ersten Grund, warum Kinder nicht auf unser „Stopp“ hören, habe ich gerade schon genannt: Es ist zu gewohnt.

Ein weiterer Grund ist Verwirrung. Das Kind weiß einfach nicht, wie ihm geschieht. Es tut gerade etwas und findet das wichtig, aufregend, lustig oder sonst wie absolut super. Es hört, dass es das nicht mehr tun soll ohne zu wissen, was eine gleichwertige Alternative ist. Zudem nimmt es wahr, das die Stimmung der Mama gerade so gar nicht zu seiner eigenen passt. Was ist da los?

Was jetzt passiert ist nur allzu verständlich: Das Kind wählt, weiter das zu tun, was sich gerade so gut anfühlt. Und auch, wenn es sich schon nicht mehr gut fühlt, weil die Mama so schlechte Stimmung verbreitet, bleibt es oft als eine Art Übersprungshandlung bei seinem ursprünglichen Verhalten und steigert dieses oft sogar noch. Was wir wiederum als Affront gegen uns empfinden. Das Drama nimmt seinen Lauf.

Stopp ohne Stopp in 3 Schritten

Vielleicht denkst Du jetzt: „Na, aber ich kann doch nicht jedes Verhalten meines Kindes einfach so hinnehmen und mich dann mit dem Chaos abfinden.“ Das brauchst Du auch nicht. Bis hierher wollte ich einfach klar machen, dass die Stopp-Taste weder sinnvoll noch realistisch ist.

Du kannst jedoch einiges dafür tun, um zukünftig gelassener durch den Alltag zu kommen.

Klarheit über die Situation

Ich halte es für die Basis jeglicher Veränderung, dass wir uns Klarheit über die Situation verschaffen. Am besten, Du schaust erst mal eine konkrete Situation an, in der es Dich regelmäßig nervt, wenn Dein Kind nicht auf Dein Stopp reagiert.

  • Kannst Du die Bedürfnisse Deines Kindes hinter dem Verhalten sehen?
  • Kannst Du sehen, dass Dein Kind seinem „inneren Plan“ folgt?
  • Welche Bedürfnisse führen bei Dir dazu, dass Dich das Verhalten so stört?

Die Antworten auf diese Fragen brauchst Du, damit Du den nächsten Schritt tun kannst.

Den Alltag drumherum gestalten

Es ist unsere Verantwortung als Erwachsene das Umfeld zu gestalten.

Ich empfinde es als geradezu unfair unseren Kindern gegenüber herrlich krümelige Erde zur freien Verfügung zu haben und gleichzeitig einen sauberen Teppich zu wollen, Filzstifte in greifbarer Nähe zu lagern und riesige Freiflächen an den Wänden, die auch frei bleiben sollen, dem Kind einen Spielkameraden vor die Nase zu setzen und die Regeln nicht verständlich zu erklären.

Kinder haben im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen noch einen direkten Zugang zu ihren Bedürfnissen. Und sie nutzen alles, was sich ihnen zeigt dafür, diese zu erfüllen. Das ist so wundervoll! Ich sehe es als eine unserer wichtigsten Aufgaben als Mütter, das Umfeld der Kinder so zu gestalten, dass sie das auch ungestört tun können.

Und noch aus einem weiteren Grund ist es unsere Verantwortung, das Umfeld, den Alltag zu gestalten: Wir alleine tragen die Verantwortung für die Erfüllung unserer eigenen Bedürfnisse. Denn nur, wenn wir „innerlich satt“ sind, können wir das Verhalten unserer Kinder als das sehen, was es ist: Verhalten!

Es geht also darum, den Alltag „bedürfniserfüllend“ zu gestalten – erfüllend für unsere Kinder und erfüllend für uns selbst. Dann brauchen unsere Kinder ihre Bedürfnisse nicht mehr an den Stellen befriedigen, wo es uns nicht passt. Und wenn wir selbst erfüllter sind, können wir besser damit umgehen, wenn uns etwas nicht passt. Die besten Voraussetzungen also, mit unerwünschtem Verhalten auch ohne Stopp-Taste klar zu kommen.

Verhalten begleiten statt unterbrechen

Damit kommen wir zum dritten Schritt: Wie gehen wir nun ohne Stopp-Taste mit störendem Verhalten unserer Kinder um? Ganz einfach: Wir begleiten unser Kind, statt sein Verhalten zu unterbrechen. Ich will das an den oben genannten Beispielen verdeutlichen:

  1. Der Forscher, der Blumenerde auf dem Teppich verteilt
    Statt „Stopp“ zu schreien und das Kind in Angst und Schrecken zu versetzen, geht die Mutter des Kleinen ganz nah zu ihm hin. Sie nimmt Kontakt zu ihm auf, indem sie ihn liebevoll mit Namen anspricht und ihn sanft berührt. Dann sagt sie: „Oh, das macht bestimmt Spaß in der Erde zu wühlen. Schau mal, der Teppich wird ganz schmutzig. Ich will, dass der Teppich sauber bleibt. Komm, ich stelle Dir in eine Schüssel mit Erde hier auf die Fließen.“
    An diesem Beispiel kannst Du sehen, wie wichtig Schritt 1 ist. Nur durch ihre innere Klarheit über ihre eigenen Bedürfnisse und die ihres Kindes, kann die Mutter eine passende Lösung anbieten.
  2. Die Künstlerin, die die Tapete bemalt
    Es ist durchaus verständlich und auch völlig in Ordnung, wenn die Mutter hier direkt und authentisch ihren Schrecken zum Ausdruck bringt: „Oh je, was ist denn mit unserer schönen weißen Tapete passiert?“ Vermutlich wird das kleine Mädchen begeistert antworten: „Ich habe ein Bild gemalt.“ Dann kann die Mutter erklären: „Dir gefällt die Tapete sicher besser so. Ich mag Dein Bild auch. Die Tapete will ich weiß haben. Ich bin ganz schön traurig, dass sie jetzt bunt ist. Ich hänge Dir ein großes Papier an die Wand. Dann kannst Du ein neues Bild auf dem Papier malen.“
  3. Der Sportler, der sein Geschwisterchen mit seiner Körperlichkeit überfordert
    Das ist sicher die schwierigste Situation aus den Beispielen. Unser Drang, unser Baby zu beschützen, ist tief in uns verankert. Da scheint es uns fast unmöglich, uns nicht schreiend dazwischen zu werfen. (Ein kleiner Hinweis am Rande: Babys sind viel robuster, als wir es uns vorstellen können. Welch großen Kräften sie allein unter der Geburt ausgeliefert waren…)Das größere Kind war bis vor kurzem auch unser Baby und braucht nach wie vor unsere Zuwendung. Also schauen wir, was die Mutter hier tun könnte:
    Selbstverständlich wird die Mutter körperlich eingreifen (das große Kind möglichst sanft fest halten), wenn sie eine ernsthafte Gefahr für ihr Baby sieht. Das kann sie verbal zum Beispiel so begleiten: „Hui, das ist zu viel für unser Baby. Du bist gerade wütend, oder?“Wenn die Situation eher spielerischer Natur ist und einfach zu schwungvoll für das kleine Kind, kann sie sich selbst als „Sparringspartner“ anbieten. Oder die körperliche Power umleiten, indem sie eine andere körperliche Betätigung anbietet. Oder eine gemeinsame kuschelige Situation schaffen.Ich halte es für entscheidend, dass sie ihrem Großen auf keinen Fall das Gefühl gibt, falsch zu sein. Durch Verbote lernt niemand, sanft zu sein. Viel mehr wird so etwas unterdrückt, dass sich dann anderswo mit noch mehr Zerstörungskraft seinen Weg bahnt.

Fazit

Die gewünschte Stopp-Taste für bestimmte Verhaltensweisen unserer Kinder lässt sich wunderbar durch innere Klarheit, bedürfniserfüllende Begleitung im Alltag und kreative Begleitung in den jeweiligen Situationen ersetzen. Außer in lebensbedrohlichen Situationen brauchen wir kein „Stopp“ – und zwar ganz ohne, unseren Kindern immer alles erlauben zu müssen.

Es erfordert Mut, genau hinzuschauen. Es erfordert Aufmerksamkeit und das Übernehmen von Verantwortung im Alltag. Und es erfordert Kreativität und Freude an neuen Wegen. Dann kann die Fernbedienung mit der Stopp-Taste getrost in der Schublade bleiben.

Ich wünsche Dir viel Freude mit weniger Stopps in Eurem Familienleben.

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