Willst Du, dass Dein Kind aus seinen Fehlern lernt? Dann tröste es, statt zu schimpfen – mit 6-Schritte-Plan gegen Schimpferitis

Ich kenne keine Mutter, die ihr Kind noch nie geschimpft hat. Und ebenso kenne ich keine Mutter, die sich noch nie schlecht gefühlt hat, nachdem sie ihr Kind geschimpft hat. Ich habe für mich und meine Kinder eine perfekte Alternative gefunden: Trost!

Warum ich Trost für eine sinnvolle Alternative zum Schimpfen halte, wird bereits anhand der Wortbedeutungen klar. Schimpfen kommt ursprünglich von „scherzen, verspotten“. Trösten dagegen bedeutet seiner Wortherkunft nach „innere Stärke schenken“.

Sicher schimpft kaum eine Mutter ihr Kind mit dem klaren Vorsatz, das Kind zu verspotten. Doch warum schimpfen wir überhaupt?

Warum wir schimpfen

Ich unterscheide zwei verschiedene Arten des Schimpfens:

Schimpfen als Erziehungsmethode

Wenn ein Kind sich durch die Schelte seiner Mutter ausreichend schlecht fühlt, kann es durchaus sein, dass es das unerwünschte Verhalten nicht mehr zeigt. Auf den ersten Blick ist Schimpfen und Strafe also wirkungsvoll.

Neuere Erkenntnisse der Entwicklungsforschung zeigen jedoch, dass ein Kind nur dann nachhaltig lernt, wenn es sich wohl fühlt. Das wird wohl kaum der Fall sein, wenn es von Mama ausgeschimpft wird. Schimpfen als gezielt eingesetzte Erziehungsmethode ist also schlichtweg sinnlos. Du kannst also jetzt in diesem Augenblick wählen, es in Zukunft sein zu lassen.

Es gibt noch eine andere Art des Schimpfens, die wir in der Regel nicht so einfach hinter uns lassen können:

Schimpfen aus emotionaler Not heraus

Das Kind hat etwas getan, was heftige Gefühle in uns auslöst – manchmal nachvollziehbar, manchmal eher überraschend.

Wir sind vielleicht ärgerlich oder traurig über den entstandenen Schaden, wir sind mutlos, weil unsere Ermahnungen nichts gebracht haben und wir gerade nicht wissen, wie anders handeln könnten, vielleicht haben wir auch einen riesigen Schrecken bekommen oder das Verhalten unseres Kindes hat uns in Angst versetzt.

Unser Kind zu schimpfen ist in solchen Situationen ein Ventil für unsere eigenen Emotionen. Sinnvoll ist es aus zwei Gründen auch jetzt nicht:

  1. Nur selten, bringt es uns dauerhafte Erleichterung. Viel häufiger fühlen wir uns danach nur noch schlechter.
  2. Unseren Kindern bringt es rein gar nichts. Sie fühlen sich beschämt oder verwirrt oder gehen in Widerstand, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Weder lernen sie etwas aus ihrem „Fehler“, noch lernen sie von uns einen konstruktiven Umgang mit Konflikten und heftigen Emotionen.

Raus aus dem Schimpf-Sumpf

Ich hoffe, ich konnte Dir vermitteln, dass Schimpfen keine lebensdienliche Strategie ist. Und doch ist es eine tief verwurzelte Gewohnheit, die einiges an Aufmerksamkeit braucht, um sich aufzulösen. Ich habe mich auf den Weg gemacht und will Dir meine Schritte zeigen:

Der erste Schritt, um mit dem Schimpfen aufzuhören, ist, den Schuldgedanken hinter uns zu lassen.

Er/sie ist doch selber schuld. Er/sie hat es nicht anders verdient. Er/sie muss wissen, dass er/sie etwas falsch gemacht hat.“ Ist das wirklich so?

Ich bin ganz sicher: Nein, das ist nicht so. Unsere Kinder haben schlicht und einfach etwas getan, was uns gerade nicht passt – und das sicher nicht, weil sie uns schaden wollen.

Warum Kinder unerwünschtes Verhalten zeigen

Zuerst will ich Folgendes klar stellen: Unerwünschtes Verhalten hat immer mindestens genauso viel mit uns selbst, wie mit unseren Kindern zu tun. Kinder verhalten sich auf die ein oder andere Weise. Diejenigen, die es so nicht wünschen – das sind immer wir.

Ich kenne nur vier Gründe, warum Kinder etwas tun, das uns missfällt:

1. Ein Missgeschick

Entweder, es ist ihnen schlicht und einfach ein Missgeschick passiert. Auch uns gleiten Dinge aus den Händen,  wir stoßen etwas um oder…

2. Eine andere Wahrnehmung

Sie haben gar nicht bemerkt, dass sie gerade etwas tun, was uns missfallen könnte (zum Beispiel das Bad überschwemmen beim Reinigen der gesammelten Steine) oder etwas nicht tun, was wir für wichtig halten (zum Beispiel den Tisch abdecken, vor dem Malen mit Acrylfarben).

Diese Tatsache ist übrigens zu 99% verantwortlich für Streitigkeiten rund ums Aufräumen und Sauberhalten des Zuhauses. Unsere Kinder haben da einfach eine komplett andere Wahrnehmung.

3. Ein übermächtiges Bedürfnis

Unser mittlerer Sohn wusste auch mit vier schon ganz genau, dass er Kissen nicht mit Scheren aufschneiden darf. Doch es gab eine – zum Glück kurze – Phase, in der ihn das Innenleben der Kissen derart faszinierte, dass es ihm nicht gelang, es sein zu lassen. Er kannte keine andere Strategie, seine Neugierde zu befriedigen. Welche Idee unsere Kissen gerettet hat, verrate ich weiter unten. 😉

4. Emotionale Not

In diese Kategorie fallen für mich Schubsen, Beißen, Treten, Schimpfwörter und scheinbar mutwilliges „Fehlverhalten“. Wenn wir genau hinschauen, brauchen Kinder, die sich so verhalten, ganz dringend etwas Bestimmtes. Das kann akut sein – wie zum Beispiel Aufmerksamkeit oder Sicherheit (bei Überforderung). Oder es kann sich nach und nach in der aktuellen Lebenssituation aufgestaut haben. Dann braucht das Kind vielleicht Zuneigung, Liebe, Ruhe, Sicherheit oder etwas Ähnliches. Das unerwünschte Verhalten ist dann nur eine unbewusst gewählte Strategie, etwas davon zu bekommen.

Ich denke, ich konnte Dir zeigen, dass Schimpfen niemanden weiter bringt. Die Alternative ist Trost – für das Kind und die Mutter!

Trost fürs Kind

Im ersten Moment mag es befremdlich erscheinen, ein Kind, das gerade „etwas Böses“ getan hat, zu trösten.

Doch egal, warum Dein Kind unerwünschtes Verhalten gezeigt hat: Ihr beide werdet immer einen größeren Nutzen daraus haben, wenn Du es tröstest.

Das Missgeschick

Wenn Deinem Kind ein Missgeschick passiert ist, dann ist das Ergebnis dieses Missgeschicks meist schon schlimm genug – in Verbindung mit Deiner authentischen Reaktion auf jeden Fall.

Wenn Du nun durch verletzendes Schimpfen noch mehr Druck auf Dein Kind ausübst, erreichst Du nur eines: Es wird in einer vergleichbaren Situation nur noch wahrscheinlicher unachtsam sein.

Sicher kennst Du diesen Effekt. Umso öfter wir einen Fehler machen und uns dafür jemand verurteilt, umso nervöser werden wir. Das macht es noch schwerer uns zu konzentrieren.

Im Falle eines Missgeschicks macht es also viel mehr Sinn, unsere Kinder zu beruhigen und das Malheur gemeinsam zu beseitigen.

Komplett andere Wahrnehmung

Wenn unsere Kinder im vertieften Spiel die negativen Begleiterscheinungen gar nicht bemerkt haben – weil ihr Fokus gerade einfach wo anders ist – ist der fatale Effekt einer schimpfende Mutter ähnlich wie bei einem Missgeschick.

Sobald das Kind durch unsere authentische, schockierte oder traurige Reaktion auf uns aufmerksam wird, stellen sich Schuldgefühle ein. (Ja, auch wenn wir einen Teenager immer wieder dafür verurteilen, dass er seinen Teller nicht in die Spülmaschine geräumt hat – auch wenn er es in diesem Moment durch Zurückschimpfen oder Coolness verdeckt.)

Der Druck, der durch diese Schuldgefühle entsteht, würde genügen, um einen Lerneffekt auszulösen. Zusätzlicher Druck von unserer Seite ist zu viel Druck, um noch lernen zu können.

Wenn wir unseren Kindern dagegen beistehen, mit den Schuldgefühlen umzugehen und den entstandenen Schaden zu begrenzen, dann haben wir ihnen etwas „fürs Leben“ mitgegeben.

Im Bezug auf den Teenager, der seinen Teller einfach stehen lässt, mag Dir das gerade etwas seltsam vorkommen. Deshalb will ich Dir eine Idee geben, wie das aussehen kann.

„Ich weiß, dass Du das nicht tust, damit es mir schlecht geht. Dir sind andere Dinge einfach wichtiger. Mir ist es wichtig, dass der Tisch frei ist und wir immer sauberes Geschirr haben. Meine Zeit und Energie reicht nicht aus, dass ich für alle alles aufräume. Hast Du eine Idee, wie es Dir in Zukunft gelingen könnte, an den Teller zu denken?“

So zu reagieren erfordert natürlich einiges an Selbstreflektion. Gönne Dir den Raum dafür. Gerne schicke ich Dir kostenfrei immer wieder Impulse dazu bequem in Dein E-Mail-Postfach. Trage einfach hier Deinen Vornamen und Deine E-Mail-Adresse ein und klicke auf den orangen Button. Dann schreibe ich Dir.

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Das große Bedürfnis

Hat unser Kind aus einem übermächtigen Bedürfnis heraus gehandelt, sehe ich es als unsere Aufgabe, unseren Kindern andere Strategien zu zeigen.

Und hier kommt meine Strategie für die Sicherheit meiner Kissen: Nach den ersten beiden zerschnittenen Sofakissen, habe ich meinem Sohn zwei alte Kissen geschenkt. Ich habe ihm außerdem einen alten Kopfkissenbezug gegeben, in die er das Füllmaterial der anderen Kissen einfüllen und es immer wieder daraus entnehmen konnte. Seitdem sind alle Kissen in unserem Haushalt heil geblieben.

Emotionale Not

Befinden sich unsere Kinder in emotionaler Not, sind sie nicht in der Lage, kognitiv zu lernen. Schimpfen aus erzieherischen Gründen macht dann absolut gar keinen Sinn. Und Schimpfen, um die eigenen Emotionen loszuwerden, ist in einer solchen Situation ganz schön egoistisch.

Das einzige was der Situation angemessen ist, ist dem Kind den Rücken zu stärken. Natürlich kann es erst einmal nötig sein, andere Menschen oder auch Dinge vor dem Kind zu schützen. Doch dann haben die Bedürfnisse des Kindes höchste Priorität.

Ich bitte Dich aus tiefsten Herzen: Sei sicher, dass Dein Kind anderen Menschen nicht weh tun will und auch nichts zerstören will. Es weiß nur nicht, was ist es stattdessen tun soll, um seine hungrig schreienden Bedürfnisse zu besänftigen. Hilf ihm dabei!

Und was ist mit uns?

Bei allem Verständnis für unsere Kinder, wird es uns manchmal spontan nicht gelingen, sie mit liebevollem Trost zu beschenken. Manchmal brauchen wir selbst erstmal Trost – weil wir uns so erschreckt habe, weil wir traurig sind, weil wir einen schlechten Tag hatten.

Trost für Mama – der 6-Schritte-Plan gegen Schimpferitis

Statt unsere Kinder zu schimpfen, können wir uns dann selbst Trost – also innere Kraft – schenken. Ganz nebenbei zeigen wir unseren Kindern so eine authentische, nachvollziehbare Reaktion auf ihr Verhalten. Dies gelingt am besten in folgenden Schritten:

Schritt 1: Den Schuldgedanken hinter uns lassen

Die innere Gewissheit, dass unsere Kinder nicht GEGEN uns sind, ist die Basis. Dazu habe ich oben schon viel geschrieben.

Schritt 2: Raus, was raus muss

Manche Situationen sind so emotional, dass wir schon einen Schrei losgelassen haben, bevor wir überhaupt nur einen einzigen Gedanken fassen können. Und das ist in Ordnung! Solange Du nicht sofort damit beginnst, Dein Kind zu beschuldigen und herunter zu machen – lass es raus:

„Verdammt noch mal, hier steht schon wieder ein gebrauchter Teller!“, „Oh nein, was für eine Sauerei!“, „Ahhhh, die schöne Vase!“

In vielen anderen Situationen reagieren wir eher gewohnheitsmäßig mit Schimpfen ohne, dass unsere Emotionen mit uns durchgehen. Dann steige bei Schritt 3 ein.

Schritt 3: Stopp

Um aus Deinem automatischen Reagieren herauszufinden, brauchst Du eine Art Anker, mit dem Du Dich ins Hier und Jetzt zurück bringen kannst. Das kann zum Beispiel ein tiefer Atemzug sein oder das altbekannte Zählen bis 10. Das funktioniert auch noch, wenn die ersten Mecker-Worte Deinen Mund schon verlassen haben. 😉

Schritt 4: Deine Gefühle

Jetzt schau ganz genau hin, was bei Dir gerade los ist. Kribbelt es in Deinem Bauch? Ist Dein Nacken verspannt? Zittern Deine Hände? Wie fühlst Du Dich? Erschrocken? Ärgerlich? Traurig? Oder bist Du schlicht einfach nicht ganz bei der Sache?

Schritt 5: Dein Bedürfnis

Welches Bedürfnis hat diese Gefühle und Emotionen in Dir ausgelöst? Würdest Du lieber in Ruhe essen, statt die Scherben vom Küchenboden aufzusammeln? Wünscht Du Dir, Deine Kinder wüssten Deine Arbeit zu schätzen, statt mit schlammigen Schuhen durchs Haus zu rennen? Wünschst Du Dir, Du könntest Dir endlich sicher sein, dass niemand in Deiner Abwesenheit Dein Handy verstellt? Oder ist es einfach mal wieder an der Zeit Dir ein paar freie, wohlige Stunden zu gönnen?

Schritt 6: Besänftige es und schau auf Dein Kind

Mit etwas Übung kannst Du Schritt 3-5 in Sekundenbruchteilen gehen. Und dann übernimm die Verantwortung und tu etwas für Dich. Es kann sein, dass Du Dir erst jetzt mit einem Schrei Luft machst. „Es nervt mich, mein Essen zu unterbrechen. Ich wünschte Du hättest das Glas bemerkt, bevor Du daran gestoßen bist.“ Es kann sein, dass Du kurz das Fenster öffnest und tief durchatmest. Es kann auch sein, dass Du bemerkst, dass Du Dein Bedürfnis auch gut etwas später erfüllen kannst und das jetzt gar nichts mit der Situation zu tun hat.

Sobald der Impuls, zu schreien und zu schimpfen vergangen ist, kannst Du Dich Deinem Kind zuwenden.

Fazit: Trost macht Eltern und Kinder stark

Kinder zu schimpfen – also zu beschuldigen, zu belehren und abzuwerten – ist gewohnt und gesellschaftlich anerkannt. Der Gedanke, Kinder könnten nur durch Schimpfen etwas lernen, ist hartnäckig – trotz gegenteiliger wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Lasst uns einen Beitrag dazu leisten, diese Überzeugung aufzulösen – für unsere Kinder und auch für uns selbst.

Ich wünsche Dir viele zusätzliche liebevolle, harmonische Momente, in denen andere Mütter schimpfen.

Mach es Dir leicht.

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